52 Kilometer, 3.500 Höhenmeter und 60 Hindernisse
Wie "verrückt" muss jemand sein, der freiwillig rund sieben Stunden Bergauf und Bergab rennt, dabei 60 Zusatzaufgaben – unter anderem Baumstämme und Ketten schleppen – absolviert und so "nebenbei" 3500 Höhenmeter absolviert? Antwort: Überhaupt nicht. Tobias Görner ist ein überaus sympathischer und eigentlich ganz normaler Sportler der Leichtathletik-Abteilung von Hannover 96. Der 28-Jährige hat kürzlich eine Leistung vollbracht, vor der jeder nur den Hut ziehen kann: Er wurde beim hoch bewerteten "Spartan Ultra-Race Morzine", in den französische Alpen, Zweiter und stieß damit völlig unerwartet in die internationale Top-Elite dieser Sportart vor. Zugleich qualifizierte er sich für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr.
"Ich war überrascht, wie gut ich mithalten konnte"
"Ich war selbst überrascht, wie gut ich in Frankreich mithalten konnte, zumal es mein erster Wettkampf über diese Streckenlänge war", erzählt Tobias Görner. Das „Spartan Race“ ist quasi ein Extrem-Hindernislauf, bei dem insgesamt 60 Hindernisse auf einer Länge von 52 Kilometern absolviert werden müssen. Dazu zählen unter anderem: Überwinden einer circa 2,74 Meter hohen Eskaladierwand, Überspringen eines Feuers, an Tauen hochklettern, um am oberen Ende eine Glocke zu läuten, Speerwurf, eine Strecke unter Stacheldraht hindurchkriechen, sich eine Ziffernkombination merken, mit Baumstamm vorweg durch einen Bergsee schwimmen oder Sandsäcke einen Berg hinaufschleppen. Schafft man das Hindernis nicht, muss man stattdessen in einer extra dafür eingerichteten Zone eine Strafrunde mit Zusatzgewicht absolvieren. Dazu kommen beim Eliterennen rund 3.500 Höhenmeter dazu, die es zu überwinden gilt.
"Nur" ankommen war geplant
"Ich wollte eigentlich bei meinem ersten Rennen nur in einer akzeptablen Zeit ankommen, doch dann lief es so gut, dass ich mich in der Spitzengruppe festsetzen konnte und später dann nur noch mit dem Sieger gemeinsam gelaufen bin", berichtet Görner. Am Ende fehlten dem Hannoveraner (7:03,28 Stunden) auf Sieger Sven Lusti (6:59,30 Stunden) aus der Schweiz nur knapp vier Minuten. Dafür distanzierte Görner den Dritten, Ryan Farrugia aus Malta, um rund sieben Minuten.
Eine Weltklasse-Leistung
Insgesamt waren in dem Ferienort Morzine in den französischen Alpen rund 800 Sportlerinnen und Sportler in unterschiedlichen Distanzen und Wettbewerben am Start. Der Ultra der Elite ist dabei die wertigste Veranstaltung, also quasi das Top-Event, hinter dem sich die anderen Wettbewerbe einreihen. Hier Platz zwei zu schaffen, das ist eine mehr als vorzeigbare Leistung, das ist schlicht und ergreifend "Weltklasse". "Es gibt aktuell nur drei Ultra-Rennen in Europa, der in Morzine ist dabei das Aushängeschild", weiß der Zweitplatzierte. Bereits 2022 wollte Görner daran teilnehmen, doch eine Corona-Infektion kurz vor dem Start stoppte ihn. "Ich habe mich sehr gut auf das diesjährige Rennen vorbereitet, habe aber maximal fünf bis sechs Stunden am Stück trainiert, deshalb wusste ich nicht so genau, wie ich die Strecke und die Zeit absolvieren würde." Doch dann lief es wesentlich besser als in den kühnsten Träumen geglaubt: Görner lief mehrere Stunden gemeinsam mit dem späteren Sieger zusammen und kam ohne größere Probleme durch die Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellten. Zum Ende des Rennens musste er zwar den Sieger ziehen lassen, doch hinter ihm klaffte auf den Drittplatzieren eine große Lücke. "Es war mein Traum, einmal bei einem Elite-Ultra-Rennen auf dem Siegerpodest zu stehen, dass das jetzt so schnell ging, damit habe ich wahrlich nicht gerechnet."
Flexibilität des "Spartan Race" sorgt für den Reiz
Für Tobias Görner ist es die Vielfältigkeit, die das "Spartan Race" ausmacht: "Man muss sehr flexibel sein und von allem ein bisschen können." Zudem sei es eine tolle Community, eine starke Gemeinschaft cooler Typen, die die Sportart auszeichne. Da die Hauptsportart beim Race das Laufen ist, kommt dem 96er seine Stammsportart, die Leichtathletik, sehr entgegen. "Ich trainiere in der Leichtathletikgruppe unter Trainer Dieter Baumeister, das bringt mir sehr viel." Für gewöhnlich sind es Strecken ab 1.500 Meter, die Tobias Görner absolviert: "So kann ich beim Ultrarennen meine läuferische Stärke sehr gut ausspielen."
2024: Weltmeisterschaft!
2024 heißt nun das Ziel Weltmeisterschaft an gleicher Stelle, im französischen Morzine. "Da wird es aber um einiges härter, denn da sind dann auch die Sportler aus Amerika und anderen starken Nationen dabei." Amerika sei das Ursprungsland der Sportart mit den aktuell stärksten Athleten.
Berufs-Feuerwehrmann und seit 2016 beim Hindernissport aktiv
Privat lebt Tobias Görner in Hannover und ist dort als Beruf-Feuerwehrmann tätig. 2016 kam er zum "Hindernislauf" und 2017 schloss er sich der Leichtathletikabteilung von Hannover 96 an. "In Deutschland habe ich sehr viele Hindernisrennen absolviert und nahezu alle Titel gewonnen, die es zu gewinnen gibt, aber die sind nicht zu vergleichen mit dem zweiten Platz beim Eliterennen."
Hoffnung auf Sponsoren
Jetzt hofft der sympathische Athlet, dass er für die Realisierung weiterer internationaler Großveranstaltungen hier und da Sponsoren findet, für dessen Produkte er "Werbung" machen darf. "Ich finanziere aktuell alle meine Starts aus eigener Tasche und das geht verständlich ganz schön ins Geld." Und so ist es mehr als verständlich, dass sich der Ausdauersportler sich über jede Kontaktaufnahme diesbezüglich freut.